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Healing Architecture – Wie Architektur zur Heilung beiträgt
Ein Gastbeitrag von Prof. Hans Nickl und Prof. Christine Nickl-Weller
Spricht man über die zentralen Qualitätskriterien eines Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung, spielt neben der Patientenversorgung auch die Umgebung bzw. Ausstattung der Einrichtung eine wichtige Rolle. Erfahren Sie hier was die sogenannte Healing Architecture für PatientInnen, Angehörige und Personal leistet und wie sie den Genesungsprozess unterstützt.
Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheiten oder Gebrechen. So formuliert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Begriff der menschlichen Gesundheit. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, dort also, wo Gesundheit wiederhergestellt oder erhalten werden soll, wird diese ganzheitliche Auffassung von Gesundheit noch allzu oft auf die rein körperliche Verfassung reduziert.
Healing Architecture gewinnt an Aktualität
Wir erkennen allerdings ein Umdenken, das bereits mit dem wachsenden Bewusstsein für Umweltpsychologie in den 70er-Jahren Einzug in die Architekturdiskussion gehalten hat und das unter dem Schlagwort Healing Architecture in den vergangenen Jahren an Aktualität gewonnen hat.
Eine weltweit wachsende Zahl an Studien, die Einflüsse des gebauten Raums auf Interaktion und Verhalten, auf physisches wie psychisches Wohlbefinden erforschen, kann diese These der heilenden Architektur untermauern.
Das tatsächliche Wohlbefinden der Patienten und Patientinnen als Indikator für Gesundheit und Genesung ist dabei nur ein Aspekt. Die Diskussion dreht sich auch um Fragen der Sicherheit und der Hygiene sowie in Bezug auf das klinische Personal um Arbeitseffizienz, Fehlervermeidung und Kommunikationsverhalten.
Das Patientenzimmer: Durchdachte Architektur schützt vor Infektionen
Schauen wir uns die Frage, wie sich Gestaltung günstig auf die oben beschriebenen Indikatoren auswirken kann, einmal genauer am Beispiel des Krankenzimmers an. Das Standard-Bettenzimmer eines deutschen Krankenhauses lässt dem Planer auf den ersten Blick wenig Freiraum.
Bett, Nachttisch, Schrank, Stuhl und Nasszelle – das sind die immer wiederkehrenden Elemente des Patientenzimmers. Doch bereits bei der Frage, ob Einbett- oder Zweibettzimmer geplant werden sollten, sind bedeutende gesundheitsrelevante Faktoren im Spiel. Abgesehen von der offensichtlich besser gewahrten Privatsphäre sind Einbettzimmer auch unter hygienischen Aspekten klarer Favorit, denn sie vermindern das Risiko einer nosokomialen, also krankenhausinternen Ansteckung signifikant.
Auch zur Verbesserung der Arzt- Patienten-Kommunikation kann eine Unterbringung im Einzelzimmer beitragen. Bei der Visite können sich Arzt oder Ärztin und PatientInnen konzentrierter und unbefangener austauschen. Zweibettzimmer hingegen sind unter dem Aspekt der sozialen Interaktion und der gegenseitigen Kontrolle, zum Beispiel im Falle eines Sturzes, vorteilhafter. So ließe sich die Diskussion fortführen.
Viel zitiert sind die Einflüsse von natürlicher Belichtung und des Ausblicks ins Grüne als genesungsfördernde Faktoren. Tatsächlich kann eine Relation zwischen Genesung und Zugang zu Tageslicht hergestellt und nachgewiesen werden. Auch bewerten Betroffene ihr Befinden und ihre Zufriedenheit besser, wenn sie positive Ablenkung durch den Blick in die Natur erfahren.
Wie die Gestaltung von Patientenzimmern die Genesung fördert
Die Betrachtung des Patientenzimmers ließe sich fortsetzen vom Mobiliar über die akustische Raumgestaltung bis zur Lichtplanung. Wir ArchitektInnen sind hier aufgefordert, gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse in den Entwurfsprozess einfließen zu lassen und auch in einen Dialog mit der Industrie zu treten, um gestalterische Ideen in geeigneten Produkten umzusetzen.
Einen wichtigen Bestandteil des Patientenzimmers stellt die Nasszelle dar. Obwohl auch hier Experten zu individuellen Sanitärbereichen für jeden Patienten raten, ist die Realität in deutschen Gesundheitseinrichtungen das gemeinsam genutzte Bad je Doppelzimmer. Umso wichtiger sind Maßnahmen zur Hygiene und zur Infektionsprävention, die zum Beispiel durch sensorische Armaturen umgesetzt werden können.
Darüber hinaus beschäftigen PlanerInnen im Sanitärbereich besonders Fragen der Sturzvermeidung und der Barrierefreiheit. Neuere Forschungen haben sich vor allem auf die Bedürfnisse bestimmter vulnerabler Personengruppen konzentriert. So sind wir heute zum Beispiel in der Lage, auf die besonderen Bedürfnisse demenziell erkrankter Menschen einzugehen oder Produkte zu verwenden, die speziell zur Suizid-Prävention entwickelt wurden – gutes Beispiel eines gelungenen Schulterschlusses zwischen Planenden, Forschung und Industrie.
Weitreichende Vorteile bei der Umsetzung des Architekturansatzes “Healing Architecture”
Healing Architecture kann letztendlich für alle Beteiligten im Care-Bereich von Vorteil sein. Für PatientInnen und ihre Angehörigen bedeutet Healing Architecture verbesserte Konditionen, um gesund zu werden und zu bleiben. Für das Personal in Gesundheitseinrichtungen effizientere Abläufe und eine sichere, stressreduzierende Arbeitsumgebung.
Auch für die Betreiber und Betreiberinnen von Gesundheitseinrichtungen geht die Rechnung auf, denn eine höhere Akzeptanz und Zufriedenheit, sowohl aufseiten des Personals als auch seitens der Patienten, wird angesichts des Mangels an qualifizierten Pflegekräften und im zunehmenden Konkurrenzdruck unter den Häusern einen gewichtigen Vorteil darstellen.
Die Autoren
HANS NICKL, PROF.
Hans Nickl studierte Architektur an der Technischen Universität München. 1979 gründete er ein eigenes Architekturbüro und 1989 zusammen mit seiner Frau, Prof. Christine Nickl-Weller, die Architektengemeinschaft Nickl & Partner. Hans Nickl wurde 1992 auf die Professur für das Lehrgebiet „Konstruktives Entwerfen“ an die FH Erfurt berufen und lehrte von 2004 bis 2017 als Gast im Fachgebiet „Entwerfen von Krankenhäusern und Bauten des Gesundheitswesens“ an der Technischen Universität Berlin.
CHRISTINE NICKL-WELLER, PROF.
Christine Nickl-Weller studierte Architektur an der Technischen Universität München und trat 1989 in die Architektengemeinschaft Nickl & Partner in München ein. Sie konzipiert und realisiert Bauten der Gesundheit, der Forschung und der Lehre im In- und Ausland sowie Entwicklungs- und Masterpläne. Von 2004 bis 2017 hatte sie die Professur für das Fach- gebiet „Entwerfen von Krankenhäusern und Bauten des Gesundheitswesens“ an der Technischen Universität Berlin inne.
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